Daniel wollte um 20 Uhr vorbeikommen. Weil sie an diesem Abend besonders gut aussehen wollte, hatte sich Sarah extra noch die neuen Stiefel gegönnt. Doch die blieben im Flur stehen. Denn Daniel kam nicht. Auch nicht, nachdem Sarah mehrmals versuchte, ihn anzurufen. An diesem Abend wusste sie, dass sie das Spiel leid war. Irgendetwas musste sich ändern.
Sarah hatte Daniel auf einer Party kennengelernt und er gefiel ihr sofort. Er hatte so etwas Geheimnisvolles. Die ersten drei Wochen sahen sie sich ständig. Doch dann machte er sich immer öfter rar, vor allem, wenn sie etwas planen wollte. Die Wochen, die dann kamen, brachten Sarah vor allem Frust und viele Abende, an denen sie ihre mit viel Aufwand zubereiteten Gerichte allein essen musste. Sie trennte sich immer wieder. Doch jedes Mal, wenn sie den Mut fasste, sich zu verabschieden, kam Daniel immer wieder zurück.
Daniel hat massive Bindungsprobleme. Sarah auch. Beide befinden sich in einem Teufelskreis aus Flucht und Näherungsversuchen. Je mehr Daniel flieht, desto mehr klammert Sarah. Je mehr Sarah versucht, sich von Daniel zu lösen, desto interessanter wird sie für ihn.
Auch wenn Sarah das vielleicht nicht bewusst ist: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, würde sie es noch gar nicht aushalten, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sich wirklich committet, sich also exklusiv und verbindlich auf sie einlassen würde. Im Grunde gibt ihr Daniels Fluchtverhalten die Sicherheit, sich überhaupt auf ihn einzulassen – auch wenn sie das nicht bewusst weiß und sehr unglücklich damit ist.
Unter Bindungsangst versteht man, dass es jemanden schwerfällt, sich auf eine verbindliche Liebesbeziehung zu einem Menschen einzulassen. Viele Betroffene haben in ihrer Kindheit zu wenig bedingungslose Liebe und stabile Beziehungen, in denen sie sich sicher fühlten, erlebt. Manche litten darunter, dass Bezugspersonen zu wenig interessiert und präsent waren, andere wiederum darunter, dass sie regelrecht mit Zuwendung bedrängt wurden.
Da diese Zuwendung jedoch meist an Bedingungen geknüpft war, haben sie Liebe mit Abhängigkeit gleichgesetzt. Bindungsangst kann aber auch entstehen, wenn erste Liebesbeziehungen im Jugendalter schmerzvoll verliefen oder man als Erwachsener von seiner Partnerin oder seinem Partner schwer enttäuscht wurde.
Vielen Menschen ist ihre Bindungsangst nicht bewusst. Im Grunde verstehen sie nicht, warum es mit der Liebe nicht klappt.
Wie entsteht Bindungsangst?
Meist sind Bindungserlebnisse aus der Kindheit eine Ursache dafür, dass Menschen Angst davor haben, sich tiefer auf einen Liebespartner einzulassen: Die Eltern oder Bezugspersonen haben eine spannungsreiche Beziehung vorgelebt. Das Kind hat miterlebt, wie sie ständig gestritten haben. Einer der Elternteile hatte Affären.
Die beiden Elternteile waren nicht gleichberechtigt, einer von beiden war überlegen, der andere unterlegen. Das Kind musste miterleben, wie ein Elternteil gegenüber dem anderen gewalttätig war. Die Eltern ließen sich trennen und das Kind konnte den Auszug von Vater oder Mutter nicht verwinden.
Aber auch Kinder, die zu behütet aufgewachsen sind, die ständig bestimmte Leistungserwartungen erfüllen mussten, die wenig Freiraum eingeräumt bekamen, haben nie gelernt, in einer Beziehung zu leben, in der sie einerseits sicher und geborgen waren und andererseits ausreichend unabhängig sein durften. Denn die beiden Verhaltenssysteme Bindung und Autonomie, im Sinne der Erforschung der Umwelt sind auf wichtige Art und Weise miteinander verknüpft.
Wer als Kind solche Bindungsformen erleben musste, bleibt als Erwachsener verständlicherweise oft unnahbar. Sucht ein anderer Mensch Nähe, wird das schnell als Bedrohung erlebt.
Aber auch Erwachsene können derart verletzende Erfahrungen mit einem Liebespartner machen, dass sie sich häufig erst nach einer langen Dauer der Aufarbeitung wieder auf einen anderen Menschen einlassen können.
Gerade Menschen, die es geschafft haben, eine Liebesbeziehung mit einem narzisstisch gestörten Partner hinter sich zu lassen, brauchen häufig sehr viel Zeit, wieder offenen Herzens auf einen anderen Menschen zuzugehen.
Symptome von Bindungsangst
Bindungsangst: ambivalentes Verhalten
Typisch für Menschen mit Bindungsangst ist es, dass sie nach einem intensiven und romantischen Beginn einer Beziehung plötzlich damit beginnen, Schwächen des Partners in den Fokus zu nehmen, so als könnten sie das Gute nicht ertragen.
Und das können sie auch nicht, denn so ganz trauen sie dem Frieden nicht und müssen sich ihrem inneren Programm entsprechend auf mögliche böse Überraschungen einstellen. Und dabei fühlen sie sich am sichersten, wenn sie selbst die Harmonie erschüttern.
Daniel aus dem Fallbeispiel etwa erkannte als kleines Kind, dass Beziehung etwas mit Macht und Gewalt zu tun hat, dass er sich schützen muss und dass er besser daran ist, wenn er sich auf niemanden wirklich tief einlässt.
Die natürlichen Erwartungen des Partners nach Nähe, Verbindlichkeit und einer gemeinsamen Zukunft teilen sie zwar, aber sie haben all das bei ihren Eltern und Bezugspersonen als so bedrohlich erlebt, dass sie diese Erwartungen nicht offen erwidern können. Denn sie wissen, was sie nicht wollen, nämlich all den Stress, Kampf und die Zerstörung, die sie zuhause miterleben mussten. Aber sie wissen einfach nicht, wie sie eine Beziehung aktiv so gestalten können, dass sie ihnen guttut.
Verständlicherweise lässt der Stress, der dadurch innerlich ausgelöst wird, das sexuelle Verlangen abklingen. Und so paradox es klingt: Je liebevoller der Partner den Betroffenen in seinen Alltag lässt, desto größer wird der Fluchtreflex. Doch das wird nicht reflektiert, weil es zu wenig bewusst ist. Stattdessen sucht der Betroffene nach Gründen, den Partner abzuwerten.
Ab welchem Zeitpunkt der Fluchtimpuls den Bindungsängstlichen ergreift, hängt von der Ausprägung der Bindungsangst ab. Manche brechen schon beim Flirten ab, andere nach dem Einzug in die gemeinsame Wohnung. Manchen dämmert erst vor dem Traualtar, dass es nun ernst wird. Je verbindlichere die Formen, die eine Beziehung annimmt, desto offener tritt die Bindungsangst zutage.
Da der Betroffene sich weiterhin nach einer erfüllten Beziehung sehnt, er aber immer wieder seinen Partner mit Rückzug verletzt, pendelt er in seinem ambivalenten Verhalten hin und her.
Hat dein Partner Bindungsangst? Habe ich Bindungsangst?
Diese Verhaltensweisen können ein Hinweis darauf sein, dass du oder dein Partner Bindungsangst empfinden:
- Du kannst dich nicht richtig auf sie oder ihn einlassen, weil du denkst, es gibt noch jemanden, der viel perfekter zu dir passt?
- Obwohl dir die Frau oder der Mann, die oder den du kennengelernt hast, sehr gut gefällt, tauchst du nach den ersten Dates plötzlich ab, weil es dir plötzlich zu viel – was du selbst überhaupt nicht verstehst?
- Du lässt dich auf mehrere Partner gleichzeitig ein, auch wenn du eigentlich weißt, dass sich das nähere Kennenlernen des einen Partners lohnen würde?
- Du wechselst heftig zwischen Nähe und Distanz?
- Du ziehst dich plötzlich emotional zurück, obwohl ihr euch gerade nähergekommen seid?
- Du gehst auf Abstand und widmest dich verstärkt deinem Job oder deinen Hobbies, obwohl der verstärkte Einsatz nicht unbedingt notwendig ist?
- Du verhinderst körperliche Zuwendung?
- Du hast Probleme über deine Gefühle zu sprechen?
- Du lässt es nicht zu, über gemeinsame Zukunftspläne zu sprechen?
- Du hast generell Schwierigkeiten, enge Freundschaften einzugehen?
Auslöser für Bindungsangst
Für Betroffene, die unter Bindungsangst leiden, können schon Kleinigkeiten zum Auslöser werden: Wenn der Partner in der Öffentlichkeit die Hand nimmt, wenn es darum geht, gemeinsam in den Urlaub zu fahren oder die eigenen Eltern vorzustellen.
Oft tritt die Angst aber auch erst bei größeren Schritten als unüberwindbar auf, beispielsweise wenn es darum geht zusammenzuziehen, zu heiraten oder sich für ein Kind zu entscheiden. Bei jedem, der von Bindungsangst betroffen ist, kann etwas anderes dazu führen, dass es ihm zu viel wird, dass er sich nicht mehr imstande fühlt, eine Beziehung fortzusetzen und die Flucht ergreift.
Was Menschen mit Bindungsangst oft in Panik versetzt, sind Beziehungsverhalten wie:
- Nähe
- Verbindlichkeit
- Eifersucht
- Exklusivität
- Langfristigkeit
Die enge Beziehung, die sie sich eigentlich wünschen, macht ihnen dann, wenn ein Partner da ist, so viel Angst, dass sie mit Abweisung und Distanz reagieren. Es kann sogar vorkommen, dass sie ihrem Partner eine unverbindliche Beziehung vorschlagen, eine Art Mingle, um den Partner nicht ganz zu verlieren.
Mingle ist eine Wortneuschöpfung aus den englischen Wörtern mixed, also gemischt, und Single. Wer sich selbst so bezeichnet, der betrachtet sich als Single, ist aber gleichzeitig zeitweise in einer Beziehung.
Gehen Menschen mit Bindungsangst Beziehungen ein?
Auch bindungsängstliche Menschen gehen feste Partnerschaften ein. Eine Studie fand heraus, was es braucht, damit diese gelingen kann.
Betroffene benötigen viel Bestätigung von ihrem Partner, damit sie sich einerseits sicher fühlen und andererseits auch ihre Autonomie leben können. Das bedeutet, dass sie selbst bestimmen können, wie viel Nähe sie zulassen und wie viel Zeit sie mit sich selbst verbringen können. Können sie dieses Verhältnis selbst ausbalancieren, verringert sich ihre Angst mit der Zeit deutlich, so das Fazit einer Studie. Das ist nachvollziehbar, denn die beiden Verhaltenssysteme Bindung und Exploration sind auf wichtige Art und Weise miteinander verknüpft.
Mehr als 300 frischverheiratete Personen wurden im Rahmen einer Studie zweimal befragt, wobei zwischen den Befragungen ein Jahr verging. Die Studie zeigt: Erlebten Betroffene von ihrem Partner die Unterstützung ihrer Bedürfnisse sowohl nach Nähe als auch nach Autonomie, ging die Angst im Lauf der Zeit zurück. Wurden sie nur in einer Hinsicht bestätigt, änderte sich ihre Angst während dieser Zeit nicht.
Partner leiden meist selbst auch unter Bindungsangst
Doch Vorsicht: Wer denkt, der Partner sei das Problem, weil der sich nicht wirklich binden könne, der übersieht meist einen großen blinden Fleck bei sich selbst. Wer sich auf einen Menschen mit Bindungsangst einlässt, hat meist selbst Schwierigkeiten, sich vertrauensvoll zu binden. An dem anderen herumzudoktern, statt die eigenen Themen anzugehen, das kann ein großer Fehler sein und auch verhindern, eine wirklich erfüllende Beziehung zu erleben.
Auf das Fallbeispiel zurückzukommen: Daniel hat massive Bindungsprobleme. Sarah allerdings auch. Beide befinden sich in einem Teufelskreis aus Flucht und Näherungsversuchen. Je mehr Daniel flieht, desto mehr klammert Sarah. Je mehr Sarah versucht, sich von Daniel zu lösen, desto interessanter wird sie für ihn.
Auch wenn Sarah das vielleicht nicht bewusst ist: Zum gegenwärtigen Zeitpunkt, würde sie es noch gar nicht aushalten, einen Mann an ihrer Seite zu haben, der sich wirklich committet, also exklusiv und verbindlich auf sie einlässt. Im Grunde gibt ihr Daniels Fluchtverhalten die Sicherheit, sich überhaupt auf ihn einzulassen – auch wenn sie das nicht bewusst weiß und sehr unglücklich damit ist.
Das eigene Bindungsmuster, das eigene Beziehungsmuster ist erlernt. Die Aufmerksamkeit und Liebe, die das Kind bekam, die Bedingungen oder Erwartungen, die Mutter oder Vater an das Kind stellten, all das spielt später eine große Rolle, ob und wie sich ein Mensch binden kann. Das Kind erlebt Mutter und Vater. Die Beziehung, die die beiden miteinander führen, ist entscheidend für die Art und Weise, wie der Erwachsene später selbst eine Beziehung führen kann oder eben so auf keinen Fall wiederholen möchte. Selbst wenn die Mutter oder der Vater gar nicht in der Familie leben, ist das so. Denn der Elternteil, der fehlt, weil er verlassen wurde, gegangen oder gestorben ist, lebt in seiner Rolle auch weiterhin in der Familie.
Bindung ist ein Grundbedürfnis
Unter Bindung versteht man ein lang andauerndes, affektives Band zu ganz bestimmten Personen, die nicht ohne weiteres auswechselbar sind und deren Nähe und Unterstützung gesucht wird, wenn beispielsweise Furcht, Trauer, Verunsicherung und Krankheit in einem Ausmaß erlebt wird, das nicht mehr selbstständig zu regulieren ist.
Bindungs- und Beziehungsmuster sind erlernt. Eine feste Bindung einzugehen, gehört zu den Grundbedürfnissen eines jeden Menschen. Ein kleines Baby wäre ohne eine Bezugsperson nicht lebensfähig. Mehr als jedes andere Lebenswesen ist es auf Schutz und Unterstützung angewiesen. Ein Baby erlernt zunächst in einer Zweierbeziehung, meist durch seine Mutter, dass es darauf vertrauen kann, dass seine Bedürfnisse nach Nähe und Geborgenheit befriedigt werden. Im Vergleich mit Tieren ist der Mensch viele Jahre darauf angewiesen, dass er mit Nahrung, Kleidung, Obdach und Nähe, Liebe oder auch dem Gefühl, beschützt zu sein, versorgt wird. Der kleine Mensch ist ebenso darauf angewiesen, dass er bei der Regulation seiner Emotionen unterstützt wird, denn es kann sich noch nicht selbst regulieren.
Unter Selbstregulation versteht man die Fähigkeit, die eigenen Gefühle, Gedanken und Verhaltensweisen zu kontrollieren und angemessen auf verschiedene Situationen zu reagieren. Co-Regulation dagegen ist ein Prozess, bei dem Bezugspersonen und Kinder ihre Emotionen, Stimmungen und Reaktionen aufeinander abstimmen. Das bedeutet, dass Co-Regulation über das bloße Beruhigen hinausgeht, die Bezugsperson sich so auf das Kind einstellen kann, dass sie seine Signale versteht und angemessen darauf reagiert.
Wenn beispielsweise die Mutter den Raum verlässt, weiß der Säugling noch nicht, dass die Mutter gleich wieder kommt. Der Säugling kann je nach Befinden eine starke Verlustangst erleben und weinen. Um sich wieder beruhigen zu können, braucht es die Nähe und den Trost der Mutter, wenn sie wieder in den Raum kommt. Empfindet ein Säugling Hunger, dann erlebt er Schmerzen und Todesängste, denn der kleine Mensch kann weder all die Gefühle einschätzen noch weiß er, dass er so schnell es geht gestillt oder gefüttert wird, abstrahieren kann er ja noch nicht.
Diese Unterstützung, also die Co-Regulation, muss das Kind nicht unbedingt von der leiblichen Mutter oder dem leiblichen Vater erfahren. Wichtig ist allerdings, dass es eine oder mehrere feste Bezugspersonen hat, die nicht ständig wechselt.
Selbstregulation und Co-Regulation spielen aber auch im Erwachsenenleben eine große Rolle, vor allem, wenn es um die Gestaltung einer intimen Beziehung geht.
Bindungsfähigkeit bestimmt Qualität einer Beziehung
Kinder nutzen unterschiedliche Strategien in Bezug auf ihre Bezugspersonen, zum Beispiel wenn sie Angst haben. Manche Kinder suchen die Nähe zur Bezugsperson und lassen sich mit ihrer Hilfe beruhigen. Bei anderen hat man den Eindruck, sie vermeiden den Kontakt oder sind nicht dazu in der Lage, ihn zu suchen. Wieder andere teilen intensiv ihr Nähebedürfnis mit, klammern sich an, aber schaffen es nicht, sich mithilfe der Bezugsperson zu regulieren.
All diese Muster wurden bei Einjährigen und ähnlich in späteren Entwicklungsphasen beschrieben.
Erklärt wird das durch ein inneres Arbeitsmodell von Bindung. Der Begriff stammt aus der Bindungsforschung und bezieht sich auf die verinnerlichten Bindungserfahrungen, die das Kind von Geburt an (vorerst) mit der Mutter oder der primären Bezugsperson, später mit anderen wichtigen Bezugspersonen macht. Dabei wird aus den vielen bindungsbezogenen Beziehungserfahrungen mit der Mutter, also vor allem Erfahrungen mit Trennung, mit den Reaktionen der Mutter in angstmachenden oder das Kind überfordernden Situationen eine Art Durchschnittserfahrung gebildet.
In den 1980er Jahren ging man noch davon aus, dass eine sichere Bindung in frühen Jahren lebenslang bestehen bleiben würde. Heute weiß man, dass frühkindliche Bindungsqualität kein feststehendes Merkmal im Sinne einer unüberwindlichen Prägung ist. Menschen, die als Kinder ungünstigere Bindungserfahrungen gemacht haben, diese Erfahrungen aber verarbeiten konnten, können als Erwachsene durchaus imstande sein, sich sicher zu binden.
Die Bindungstheorie von John Bowlby
Welche Bindungstypen gibt es?
Bowlby unterscheidet zwischen vier Bindungstypen:
- Bindungstyp A: unsicher-vermeidende Bindung.
- Bindungstyp B: sichere Bindung.
- Bindungstyp C: unsicher-ambivalente Bindung.
- Bindungstyp D: unsicher-desorganisierte Bindung.
Mary Ainsworth, eine Mitarbeiterin von John Bowlby, entwickelte in den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts eine experimentelle Situation, mit der sich unterschiedliche Bindungstypen von einjährigen Kindern nachweisen lassen: den sogenannten Fremde-Situations-Test. Dabei wird das Verhalten des Kindes beobachtet, wenn es kurzzeitig von seiner Mutter getrennt ist, das Kind mit einem fremden Menschen einen kurzen Moment allein ist und die Mutter anschließend wieder zurückkehrt.
Diese Tests dienten als Grundlage, vier Bindungstypen zu unterscheiden: ein sicherer Bindungstyp und drei unsichere Bindungstypen, der vierte Bindungstyp, der desorganisierte, wurde allerdings erst nachträglich eingeführt, da einige Kinder nicht zuverlässig zuzuordnen waren.
Das Bindungsverhalten von Kindern kann allerdings sehr vielfältig sein und die verschiedenen Bindungstypen können individuell unterschiedlich ausgeprägt sein.
Der sichere Bindungstyp (B-Typ)
Unsicher-vermeidender Bindungstyp (A-Typ)
Desorganisierter Bindungstyp
Zusammenhänge mit späterem Bindungsverhalten
Wie kann man Bindungsangst überwinden?
Selbstwertgefühl und Vertrauen – die Basis einer gesunden Bindung
Wenn Eltern ihr Kind liebevoll versorgen, dann erfüllen sie nicht nur dessen Bindungswunsch, sondern stärken auch sein Selbstwertgefühl. Das Kind fühlt sich geliebt und angenommen und entwickelt die Überzeugung, dass es gut so ist, wie es ist.
Wenn es den Eltern dann noch gelingt, ihr Kind auch in seiner autonomen Entwicklung zu fördern, es also zu einem selbständigen Menschen zu erziehen, dann hat auch dies einen sehr positiven Effekt auf dessen Selbstwerterleben. Denn das Kind lernt auf diese Weise, dass es etwas bewirken und sich behaupten kann. Im Vertrauen auf seine Abgrenzungsfähigkeit fühlt es sich zwischenmenschlichen Beziehungen nicht ausgeliefert, sondern weiß, dass es diese mitgestalten kann. Die elterlichen Prägungen, die man in der Kindheit erwirbt, werden in der Psychologie mit dem Persönlichkeitsanteil des „inneren Kindes“ beschrieben. Jeder trägt solche Prägungen in sich – positive wie negative –, und sie sind ein wesentlicher Teil eines inneren „Beziehungsprogramms“.
Menschen, deren Bindungs- und Autonomiebedürfnisse durch die Eltern gut erfüllt worden sind, erlernen ganz automatisch jene sozialen Fähigkeiten, die für die Bindung und für die Autonomie wichtig sind. Zwischenmenschliche Bindungen verlangen, dass die Beteiligten aufeinander zugehen, sich öffnen, Kompromisse finden, sich integrieren, hinwenden, nachgeben und aneinander festhalten. Dafür ist Anpassungsfähigkeit gefragt. Um dagegen autonom handeln zu können, muss man einen klaren eigenen Willen verspüren, diskutieren, argumentieren, streiten, sich durchsetzen und eventuell trennen können. Die Emotion, die diese Fähigkeiten unterstützt, ist im positiven Sinne Aggression.